Sonntag, 27. März 2011

RF-STABIL: Bedeutung des kritischen Lastfaktors, Teil 3, Nichtlineare Berechnung

Im 2. Teil habe ich die lineare Berechnung mit RF-STABIL beschrieben. Diese Art der Berechnung ist die Lösung eines Eigenwertproblem.

Der große Vorteil ist die Rechengeschwindigkeit. Die Berechnung dauert zwar etwas länger als das lineare Berechnen eines Lastfalls oder einer Lastfallgruppe, jedoch hält sich die Rechenzeit noch im Rahmen.

Diese Art der Berechnung hat jedoch einen gewaltigen Nachteil: Exakt ist das Ergebnis nur bei linearen Systemen. Sobald eine Nichtlinearität im System ist, kann man nicht mehr 100% auf das Ergebnis vertrauen. Es reicht schon ein ausfallendes Linienlager oder ein Zugstab um falsche Ergebnisse zu bekommen.

Was kann man bei solchen nichtlinearen Systemen tun, um die Verzweigungslast zu ermitteln? Neben der Eigenwertmethode der linearen Berechnung gibt es noch eine zweite Möglichkeit, die Verzweigungslast eines statischen Systems zu ermitteln. Jeder Anwender von RSTAB oder RFEM hat bestimmt schon einmal erlebt, dass bei der Berechnung einer Lastfallgruppe nach Theorie II. Ordnung die Meldung angezeigt wird, dass das System instabil ist. Diese Meldung sagt nichts weiter aus, als dass die Verzeigungslast des Systems überschritten ist. Es wäre also möglich, mit einer normalen Lastfallgruppe die Verzeitungslast zu ermitteln. Man müsste die Last der Lastfallgruppe schrittweise immer weiter steigern bis die Instabilitätsmeldung angezeigt wird. Das kann man manuell machen in dem man den Faktor der Lastfallgruppe variiert.


Man kann durch Probieren den Lastfallguppenfaktor herausfinden, bei dem das System gerade noch durchrechnet. Dieser Lastfallgruppenfaktor entspricht dann dem kritischen Lastfaktor.

Diese Methode der manuellen Laststeigerung hat aber gegenüber der Eigenwertanalyse in RF-STABIL einen großen Vorteil. Es werden sämtliche nichtlinearen Effekte berücksichtigt.

Nachteil: Das ist natürlich sehr aufwändig und bei größeren Systemen nicht praktikabel.

Man kann das Steigern der Last einer Lastfallgruppe aber auch automatisieren und zwar mit diesem kleinen unscheinbaren Haken in RF-STABIL:



Mit der nichtlinearen Analyse ist nicht weiter gemeint, als dass die Last aus der gewählten Lastfallgruppe immer weiter gesteigert wird, bis die Verzweigungslast gefunden ist. Das geht natürlich sehr viel schneller als die oben beschriebene manuelle Methode, dauert aber in der Regel wesentlich länger aus die lineare Eigenwertmethode.

Schauen wir und diese nichtlineare Analyse mal etwas genauer an. Da stellt sich zunächst mal die Frage, bei welchen Lastniveau begonnen wird. Wenn man gleich die gesamte Last auf das System aufbringen würde, dann hätte man ein Problem wenn der Verzweigungslastfaktor <1 wäre. Der könnte so nicht ermittelt werden. Es hat eine ganze Menge Zeit und Experimentieren gekostet, bis ich hinter die genaue Funktionsweise gekommen bin. Hier meine Erkenntnisse:

In den Details kann die Anzahl der Laststeigerungen eingestellt werden. Der Wert ist mit "10" voreingestellt. Das ist normalerweise auch eine sehr brauchbare Einstellung. Wenn man dort die 10 lässt, dann wird die Last der Lastfallgruppe durch 10 geteilt. Mit diesem Lastniveau beginnt die Berechnung.

Nachdem das Gleichgewicht gefunden wurde, wird die Last um 1/10 der Ausgangslast gesteigert. Das Lastniveau liegt also bei 20% der ausgewählten Lastfallgruppe.

Wurde wieder das Gleichgewicht gefunden, dann wird das Lastniveau auf 30% gesteigert. Das Spiel wird solange fortgesetzt, bis eine Instabilität festgestellt wird. Wird diese beispielsweise bei 140% festgestellt, dann ergibt sich daraus ein kritischer Lastfaktor von 1,4.

Die Genauigkeit des Verzeigungslastfaktors hängt sehr stark von der Einstellung der Laststeigerungen ab. Wird die Voreinstellung "10" belassen, dann ist er auf eine Dezimalstelle genau. Für die Praxis ist das völlig ausreichend.

Wenn man statt 10 Laststeigerungen 100 einstellt, dann beginnt die Berechnung auf  einem Lastneveau von 1% der ausgewählten Lastfallgruppe. In der 2. Laststeigerung wird mit 2% Lastniveau gerechnet usw.

Da Ergebnis ist genauer aber die Rechenzeit verzehnfachst sich etwa.

Wer genau hinschaut, dem ist aufgefallen, dass der Detaildialog für die nichtlineare Berechnung in RF-STABIL dem Dialog für die Berechnungsparametern gleicht. Ist eigentlich auch logisch, denn es werden in der nichtlinearen Analyse ganz normale RFEM-Berechnungen durchgeführt.

Eine Besonderheit gibt es aber in diesem Dialog. Man kann die Berechnungstheorie nicht verändern. Es ist fest die Berechnung nach Theorie III. Ordnung eingestellt. Die Berechnung nach Theorie I. Ordnung und als Durchschlagsproblem machen in diesem Fall auch keinen Sinn. Allerdings erschießt sich mir nicht der Hintergrund, warum die Berechnung nach II. Ordnung nicht zugelassen wird.

So, jetzt habe ich mich genug zu diesem schwierigen Thema ausgelassen. Unten gibt es noch eine Literaturempfehlung für die ganzen theoretischen Hintergründe.

Zusammenfassend kann man sagen, dass in dem Modul RF-STABIL eine ganze Menge Potential steckt. Besonders mit der nichtlinearen Berechnung sind sehr interessante Sachen möglich. Allerdings muss man genau wissen, was man tut.

Die Dokumentation in den Handbüchern ist leider sehr knapp. Ich hoffe, dass ich mit den drei Artikeln zu diesem Modul etwas Licht in das Dunkel bringen konnte.

Weiterführende Literatur zu diesem Thema:

Statik und Stabilität der Baukonstruktionen: Elasto- und plasto-statische Berechnungsverfahren druckbeanspruchter Tragwerke: Nachweisformen gegen Knicken, Kippen, Beulen

Siehe auch:

RF-STABIL: Bedeutung des kritischen Lastfaktors, Teil 1, Grundlagen
RF-STABIL: Bedeutung des kritischen Lastfaktors, Teil 2, Anwendung in RFEM

Sonntag, 6. März 2011

RF-STABIL: Bedeutung des kritischen Lastfaktors, Teil 2, Anwendung in RFEM

Im ersten Teil dieser Reihe habe ich etwas zu den theoretischen Grundlagen geschrieben. In dieser Teil wird es nun etwas praxisbetonter. Doch zunächst noch ein wenig Theorie.

Ich hatte ja geschieben, dass bei einem kritischen Lastfaktor kleiner 10 die Theorie II. Ordnung berücksichtigt werden muss. Was bedeutet aber nun genau die Zahl des kritischen Lastfaktors?

Das ist eigentlich ganz einfach. Steigert man die Last um den kritischen Lastfaktor, dann wird das System instabil. Hier ein ganz einfaches statisches System:
Eine Kragstütze wird mit einem Gewicht (rot) belastet. Das Gewicht wird immer weiter gesteigert. Auch wenn man annimmt, dass das Material der Kragstütze immer einen linearen Spannung-Dehnungsverlauf hat, also das Hooksche Gesetz unendlich lange gilt, dann wird das System irgend wann einmal instabil.
Es tritt ein Stabilitätsversagen auf. Der kritische Lastfaktor (=Verzweigungslastfaktor) gibt an, um welchen Faktor die Last gesteigert werden kann, bis das Stabilitätsversagen eintritt. Achtung! Es wird hier immer von idealen linearelastischen Verhalten des Tragwerks ausgegangen.

Was sagt mir nun der Verzeigungslastfaktor? Es müssen 3 verschiedene Bereiche unterschieden werden:
  1. Der kritische Lastfaktor ist kleiner 1.
  2. Der kritische Lastfaktor liegt zwischen 1 und 10.
  3. Der kritische Lastfaktor ist größer 10.
Im Fall 1 ist die Lage klar. Das System ist schon bei einfacher Belastung instabil und somit zu schwach dimensioniert.

Der 2. Fall ist in der Praxis der häufigste Fall. Das Tragwerk ist unter der Belastung erst einmal stabil, es sind jedoch noch weitere Stabilitätsnachweise erforderlich. Es muss also nach Theorie II. Ordnung gerechnet werden oder es muss ein Knicknachweis nach dem Ersatzstabverfahren geführt werden.

Im 3. Fall ist das Tragwerk nicht stabilitätsgefährdet. Es reicht ein einfacher Spannungsnachweis mit den Schnittgrößen nach Theorie I. Ordnung.

Wenn der Verzweigungslastfaktor größer 1 ist, dann ist das also noch lange kein Nachweis gegen Knicken oder gegen ein anderes Stabilitätsversagen.

Zwei Sachen sind auch noch zu beachtem.

Die Stabelemente in RFEM können kein Biegedrillknicken abbilden. Das ist übrigens auch bei fast allen Stabelementen anderer Programme so. Wenn ein Biegedrillknickproblem vorliegen könnte, dann sind also noch weitere Untersuchungen notwendig.

Die Ermittlung des kritischen Lastfaktors erfolgt durch das Lösen eines Eigenwertproblems. In der "normalen" Berechnung ist zu beachten, dass keinerlei Nichtlinearität berücksichtigt wird. Wenn allso ausfallende Stäbe, ausfallende Bettungen oder andere Nichtlinearitäten im System vorhanden sind, dann ist die Berechnung zumindest ungenau, eventuell gar falsch. In diesem Fall hilft die nichtlineare Berechnung von RF-STABIL weiter. Dazu mehr im nächsten Teil dieser Artikelreihe.