Sonntag, 6. März 2011

RF-STABIL: Bedeutung des kritischen Lastfaktors, Teil 2, Anwendung in RFEM

Im ersten Teil dieser Reihe habe ich etwas zu den theoretischen Grundlagen geschrieben. In dieser Teil wird es nun etwas praxisbetonter. Doch zunächst noch ein wenig Theorie.

Ich hatte ja geschieben, dass bei einem kritischen Lastfaktor kleiner 10 die Theorie II. Ordnung berücksichtigt werden muss. Was bedeutet aber nun genau die Zahl des kritischen Lastfaktors?

Das ist eigentlich ganz einfach. Steigert man die Last um den kritischen Lastfaktor, dann wird das System instabil. Hier ein ganz einfaches statisches System:
Eine Kragstütze wird mit einem Gewicht (rot) belastet. Das Gewicht wird immer weiter gesteigert. Auch wenn man annimmt, dass das Material der Kragstütze immer einen linearen Spannung-Dehnungsverlauf hat, also das Hooksche Gesetz unendlich lange gilt, dann wird das System irgend wann einmal instabil.
Es tritt ein Stabilitätsversagen auf. Der kritische Lastfaktor (=Verzweigungslastfaktor) gibt an, um welchen Faktor die Last gesteigert werden kann, bis das Stabilitätsversagen eintritt. Achtung! Es wird hier immer von idealen linearelastischen Verhalten des Tragwerks ausgegangen.

Was sagt mir nun der Verzeigungslastfaktor? Es müssen 3 verschiedene Bereiche unterschieden werden:
  1. Der kritische Lastfaktor ist kleiner 1.
  2. Der kritische Lastfaktor liegt zwischen 1 und 10.
  3. Der kritische Lastfaktor ist größer 10.
Im Fall 1 ist die Lage klar. Das System ist schon bei einfacher Belastung instabil und somit zu schwach dimensioniert.

Der 2. Fall ist in der Praxis der häufigste Fall. Das Tragwerk ist unter der Belastung erst einmal stabil, es sind jedoch noch weitere Stabilitätsnachweise erforderlich. Es muss also nach Theorie II. Ordnung gerechnet werden oder es muss ein Knicknachweis nach dem Ersatzstabverfahren geführt werden.

Im 3. Fall ist das Tragwerk nicht stabilitätsgefährdet. Es reicht ein einfacher Spannungsnachweis mit den Schnittgrößen nach Theorie I. Ordnung.

Wenn der Verzweigungslastfaktor größer 1 ist, dann ist das also noch lange kein Nachweis gegen Knicken oder gegen ein anderes Stabilitätsversagen.

Zwei Sachen sind auch noch zu beachtem.

Die Stabelemente in RFEM können kein Biegedrillknicken abbilden. Das ist übrigens auch bei fast allen Stabelementen anderer Programme so. Wenn ein Biegedrillknickproblem vorliegen könnte, dann sind also noch weitere Untersuchungen notwendig.

Die Ermittlung des kritischen Lastfaktors erfolgt durch das Lösen eines Eigenwertproblems. In der "normalen" Berechnung ist zu beachten, dass keinerlei Nichtlinearität berücksichtigt wird. Wenn allso ausfallende Stäbe, ausfallende Bettungen oder andere Nichtlinearitäten im System vorhanden sind, dann ist die Berechnung zumindest ungenau, eventuell gar falsch. In diesem Fall hilft die nichtlineare Berechnung von RF-STABIL weiter. Dazu mehr im nächsten Teil dieser Artikelreihe.

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