Sonntag, 13. Februar 2011

RF-STABIL: Bedeutung des kritischen Lastfaktors, Teil 1, Grundlagen

Heute schriebe ich erstmalig einen Beitrag zu einem Zusatzmodul. Das Thema ist etwas komplexer, so dass ich in mehrere Teile gliedern werde. Im ersten Teil geht es um ein paar theoretische Grundlagen.

Die meisten Module in RSTAB oder RFEM sind ja Nachweismodule. Der normale Arbeitsgang ist, dass die Schnittgrößen mit RSTAB oder RFEM ermittelt werden und die Nachweise der Bauteile nach den entsprechenden Normen mit Modulen passiert.

Etwas anders ist es beim Modul RF-STABIL. Hiermit wird kein normativer Nachweis geführt. Wozu braucht man das Modul aber dann?

Zu Beginn der statischen Berechnung steht man vor der Entscheidung, ob die Schnittgrößen nach Theorie I. Ordnung ermittelt werden dürfen oder ob die Verformungen erheblichen Einfluss auf die Schnittgrößen haben, also die Berechung nach Theorie II. Ordnung notwendig ist.

Was genau "Theorie I. Ordnung" und "Theorie II. Ordnung" bedeutet, werde ich in einem späteren Betrag noch mal etwas genauer unter die Lupe nehmen. Hier nur eine ganz kurze Erklärung. Bei der Theorie I. Ordnung wird davon ausgegangen, dass die Belastung und die Verformung in einem linearen Zusammenhang stehen. Wenn z. B. an einem Einfeldträger die Belastung verdoppelt wird, dann verdoppelt sich auch die Durchbiegung. Das Kräftegleichgewicht kann am unverformten System aufgestellt werden. Anders bei der Theorie II. Ordnung. Hier kann nicht mehr von einem linearen Zusammenhang zwischen Belastung und Verformung ausgegangen werden. Das Kräftegleichgewicht am verformten System aufgestellt werden. Hier ein ganz einfaches Beispiel für solch ein Tragwerk:


Belastung und Verformung hängen hier nicht mehr linear zusammen. Die seitliche Verformung wird wegen der seitlichen Auslenkung auch durch die vertikale Kraft gesteigert. Diese Kragstütze ist ein geometrisch nichtlineares Tragwerk oder anders ausgedrückt, es handelt sich um ein Stabilitätsproblem.

Für den Nachweis solch eines Tragwerks reicht nicht mehr ein einfacher Spannungsnachweis. Es muss auch ein Stabilitätsnachweis geführt werden. Der könnte so geführt werden, dass die Schnittgrößen am verformten Systen, also nach Theorie II. Ordnung, ermittelt werden und dann ein Spannungsnachweis geführt wird.

Die Berechnung nach Theorie II. Ordnung ist mit moderner Statiksoftware heute keine keine Kunst mehr. Wenn man nach Theorie I. Ordnung rechnen darf, dann hat das aber einige handfeste Vorteile. Statt Lastfallgruppen kann man unter Umständen Lastfallkombinationen verwenden. Über den genauen Unterschied zwischen Lastfallgruppen und Lastfallkombinationen habe ich schon einmal hier etws geschrieben.

Doch ab wann ist ein Stabilitätsnachweis notwendig? Es kann ja sein, dass die vertikale Kraft nur sehr klein im Vergleich zur horizontalen Kraft ist. Das entscheidende Kriterium dafür ist der kritische Lastfaktor. Ist er größer als 10, dann darf der Einfluss der Theorie II. Ordnung vernachlässigt werden. Ist er kleiner 10, dann muss ein Stabilitätsnachweis geführt werden.

So, nun ist geklärt, wozu man den kritischen Lastfaktor benötigt. Im zweiten Teil geht es darum, was die Zahl genau bedeutet und wie man mit RF-STABIL den kritischen Lastfaktor berechnet.